Projekt 2022

projekt 2022

Fertig genäht: 1650 Stoffbinden für Frauenprojekte in Ländern mit erschwertem Zugang zu Hygienematerial

Foto Binden

Dienstag, 8. März, 14-19 Uhr, im Kipferhaus: Nähen, Sortieren, Abpacken und Anstossen auf (hoffentlich) 1001 Binden! 


Endspurt fürs Binden-Projekt 2022

Erschwingliche und sichere Hygieneprodukte sind vielerorts eine Mangelware – auch weil die Menstruation oft noch ein Tabuthema ist. Das Prisma Nähprojekt möchte da praktische Hilfe leisten.


Aus Wohlen…


Vor gut einem Jahr –als der Nähtreff im Kipferhaus nicht mehr stattfinden konnte– entschieden wir uns für ein Projekt, das den regulären Teilnehmerinnen und allen weiteren interessierten Näherinnen ermöglicht, von zuhause aus an einem gemeinsamen Ganzen zu nähen. Wir suchten nach einem nachhaltigen und billigen Produkt, das die Frauen überzeugt und unsere Verbundenheit und Vernetztheit rund um den Globus trotz den geschlossenen Grenzen sichtbar macht. Bis zum nächsten internationalen Frauentag am 8. März wollten wir möglichst 2022 wiederverwendbare Hygienebinden aus alten Duvetbezügen, Leintüchern und Moltoneinlagen sowie der für die Undurchlässigkeit hinzugekaufte Polyurethanschicht gemeinsam nähen (vgl. dazu auch Gemeindeinfo vom April 2021).

Um es gleich vorwegzunehmen: Wir sind – zwei Monate vor dem Abschluss – weit von unserem ehrgeizigen Ziel von über zweitausend Binden entfernt. Und dies nicht erst seit Dezember, als der Heizungsbrand im Kipferhaus auch unseren Stauraum und somit Hunderte von fertigen Binden mit Feinststaub verrusste (zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses im Januar ist nicht klar, wie viele von diesen gerettet werden können). Auch sind die vielen Beigen und Kartonschachteln mit Binden noch nicht nach Grössen sortiert und ausgezählt. Aber dank Stoffspenden und Freiwilligenengagement wurden bis im Januar über den Daumen gepeilt doch etwa 600 Stück genäht. Jede dieser Binden erfordert ca. 45 Minuten Zeit: Zuschneiden der fünf Lagen in drei unterschiedlichen Formen, drei Nähschritte mit der Maschine sowie Befestigung der beiden Druckknopfteile von Hand und schliesslich die Bezeichnung der Oberseite … kurz, da stecken locker 450 Arbeitsstunden drin.

…von Jung und Alt…

Das Schöne daran ist, dass diese Hunderte von Stunden von Dutzenden von Frauen geleistet worden sind: nicht nur vom Prisma Nähtreff, sondern auch von zahlreichen Frauen aus der ganzen Wohlener Gemeinde und darüber hinaus: wir erhielten Päckli aus Biel, Zimmerwald oder Riehen. Zudem bekamen wir viel positives und spannendes Feedback; insbesondere ältere Frauen erzählten uns von den Stoffbinden und Gürteln, die vor der flächendeckenden Verfügbarkeit von Einwegprodukten genutzt wurden. Beim gemeinsamen Bindennähen vor dem Kipferhaus im Mai wurde nicht nur fleissig produziert, sondern es wurden auch Erfahrungen und Erinnerungen ausgetauscht, über die frau normalerweise nicht einfach so spricht, obschon sie für uns alle während rund 35 Jahren einen Viertel der Lebenszeit mitgestalten.
Aber auch junge hat es interessiert: im September halfen drei Mädchen aus der KUW8-Klasse einen Samstag lang beim Zuschneiden und Nähen mit. Sie waren berührt von der Erzählung einer Afghanin, wie sie unter dem Tabu der Mens sich selbst helfen musste. Die drei Achtklässlerinnen bewiesen ihrerseits mit ihrer Teilnahme am Workshop ein gesundes Selbstbewusstsein – denn auch hier ist dieses Thema immer noch irgendwie schambehaftet. Aber sie wollten Solidarität beweisen mit Frauen, die aus logistischen oder finanziellen Gründen sich nicht einfach so Einwegprodukte leisten können. Denn während hierzulande waschbare Stoffbinden aus ökologischen Gründen wieder ein Thema werden, so bewirken sie andernorts weit mehr als ein kleinerer Abfallberg: zu viele Mädchen und Frauen fehlen monatlich in der Schule oder am Arbeitsort aufgrund der mit der Mens einhergehenden Tabus und Kosten.

…hinaus in die Welt


Deshalb freuen wir uns sehr, dass bereits zwei Binden-Pakete junge Frauen ohne Ressourcen erreicht haben. überbracht worden sind: Eines ging im Juni 2021 nach El Alto, Bolivien, ein zweites im Dezember nach Kuba. Erfreulicherweise wurde nun an beiden Orten angedacht, die Binden zukünftig selber herzustellen. Weitere Sendungen in andere Himmelsrichtungen werden folgen – kleine Projekte und Familienangehörige in Afghanistan, Sri Lanka und Kongo sowie ein Flüchtlingscamp haben Bedarf.

Endspurt


Darum möchten wir zu einem kleinen Schlussspurt ansetzen: Bitte holt bei uns den Stoff, die Schnittmuster und werft eure Nähmaschine an und/oder kommt am internationalen Frauentag, am Dienstag, den 8. März 2022, ins Kipferhaus zum gemeinsamen Nähen, Sortieren und Abpacken. Wir möchten doch die 1000-Stück-Grenze übertreffen – denn Abnehmerinnen gibt’s.

Dienstag, 8. März, 14 – 19 Uhr, im Kipferhaus: Nähen, Sortieren, Abpacken und Anstossen auf (hoffentlich) 1001 Binden!



Anna Rapp, Laurence Gygi


Helfen Sie mit und beziehen Sie das Schnittmuster hier als PDF oder zusammen mit den Stoffen und Einlagen (inkl. wasserundurchlässige Polyurethanschicht) via Mail: laurence.gygi@kg-wohlenbe.ch ; Telefon: 031 901 16 75 oder persönlich am Dienstagnachmittag, 14-17 Uhr im Kipferhaus.

Wir freuen uns auf das grosse Teamwork!

b
Nähtag
Bolivia
 





Wer hat (nicht) Angst vor dem roten Fleck?!
Bis zum nächsten internationalen Frauentag, dem 8. März 2022, sollen möglichst viele Stoffbinden genäht und dorthin gebracht werden, wo es nachhaltige Menstruationsprodukte und eine offenere Diskussion darüber braucht.

Peinlich, peinlich
Menstruation: jede zweite Person hat sie während Jahrzehnten, sie ist die natürlichste Sache der Welt – und doch so ‘peinlich’. Mindestens. Denn vielerorts kleben nebst der Angst vor einem roten Fleck noch ganz andere – nun aber wirklich – peinliche Aspekte an der Menstruation:
Ob aus Scham, Unwissen, Desinteresse oder Tabuisierung – bis vor kurzem wurde über die Menstruation kaum gesprochen, und wenn, dann höchstens über den biologischen Vorgang. Wer spricht in Ländern mit kleinen und mittleren Einkommen über die gesundheitlichen Risiken der Tabuisierung sowie deren Folgen im menstruationsbedingten Bildungs- und Einkommensausfall? Und wie kommt es, dass hierzulande z.B. Viagra oder Kaviar als Produkte des täglichen (?!) Bedarfs mit nur 2.5% MwSt-Abgaben, Menstruationsartikel hingegen noch immer als ‘Konsumgüter’ gelten und mit 7.7% MWSt belegt werden? Und während in öffentlich zugänglichen Toiletten – in Schulen, Büros oder Einkaufszentren – WC - Papier selbstverständlich ist, bleiben die Tamponkosten dem privaten Budget überlassen. Als ob frau die Wahl hätte, zu menstruieren oder nicht…
Ein Luxusproblem? Nur für jene, die es sich ohne mit der Wimper zu zucken leisten können, ca. Fr. 6'000.- im Leben allein schon für die Binden hinzulegen. Für die Alleinerziehende Danielle K* hingegen, die sich und ihre beiden Töchter mit einer 80%-Arbeit durchbringt, machen die Menstruationskosten – wozu manchmal noch Medikamente oder Wäsche hinzukommen – für mittlerweile drei Perioden im Monat einen spürbaren Teil des schmalen Budgets aus. Und für asylsuchende Frauen, die von der Nothilfe leben müssen, weil sie nicht arbeiten dürfen, fällt jeden Monat einmal die Frage an: heute Hygieneartikel oder etwas zum Essen kaufen? Mit Fr. 8.-/Tag erhalten sie nur scheinbar denselben Betrag wie die männlichen Nothilfebeziehenden.

Gesundheits- und Bildungsrisiko
In Krisenregionen und Ländern mit kleinen Einkommen spielen die Kosten eine noch viel grössere Rolle. Vor allem aber werden sie gepaart mit zusätzlichen, mindestens so schwerwiegenden Defiziten: Vielerorts herrscht Mangel an verfügbarem Material, an abschliessbaren Toiletten, an Abfallkübeln, an Allgemeinwissen zu geschlechtsspezifischer Gesundheit und Hygiene u.a.m. Studien der WHO und der UNICEF konnten nachweisen, dass der (fehlende) Zugang zu genügenden und sauberen Menstruationsartikeln in direktem Zusammenhang mit gewissen Unterleibserkrankungen und mit Abertausenden von Schul- und Arbeitsabsenzen steht – ein Faktor, der sowohl Grund als auch Resultat der finanziellen und gesellschaftlichen Benachteiligung von Frauen ist.
Aber diese Vernachlässigung der Rahmenbedingungen für eine gesunde Menstruation wiederum hat nicht nur mit Armut, sondern vor allem auch mit der Tabuisierung von Menstruation und sexueller Gesundheit zu tun. Die heute 28jährige Dhanvi N.*, aufgewachsen am Rande der Grossstadt Jaffna im Norden Sri Lankas, hatte meist Einwegbinden zur Verfügung; prägend war für sie etwas anderes: Sie durfte während ihrer Tage weder die Küche betreten noch mit der Familie am Tisch sitzen, sie durfte keine tierischen Produkte essen und – dies mit gemischten Gefühlen – nicht zur Schule gehen. Die Periode gilt als Zustand der rituellen Unreinheit und verlangte nach Absonderung; hier in der Schweiz lebt Dhanvi diese nicht mehr. Aber auch in Sri Lanka ist der Grund, monatlich die Schule zu fehlen, nicht nur ein ritueller, sondern auch ein finanzieller: 2015 hatte nur jede dritte Menstruierende Zugang zu Binden & Co; 50% der Mädchen fehlten wegen der Periode fünf Tage, 37% weitere immerhin 1-2 Tage pro Monat in der Schule – deshalb diskutiert nun Sri Lankas Parlament die freie Abgabe von Binden in Schulen.
Für Sahena A.* aus einem ländlichen Gebiet Afghanistans war das Tabu noch stärker, als sie vor 16 Jahren ganz alleine vor dem neuen Problem stand. Sie wusste nichts über die Menstruation; aber sie fühlte, dass darüber nicht gesprochen werden durfte, auch nicht mit der Mutter. Sich anderweitig zu informieren war für sie, die nie in die Schule gehen und weder schreiben noch lesen konnte, nicht möglich. In ihrer Not klaubte die Dreizehnjährige aus einer Altkleiderbeige, die für einen Bettler gedacht war, heimlich einen Schal hervor und schnitt ihn in mehrere Stücke. Danach musste sie diese auch unbemerkt waschen und trocknen können. Eine weitere Schwierigkeit war, dass die Frauenkleidung nur lange lose Hosen unter dem rockartigen Oberteil vorsah – wie diese improvisierte Binde befestigen?! Heute lacht Sahena darüber; aber noch immer spürt man bei der Erzählung, wie es ihr damals erging: das Gefühl der Scham über den körperlichen Vorgang, der Schuld, dass sie einem Bettler etwas wegstahl, und die Angst, dass ‘es’ plötzlich sichtbar werden könnte.

Die Idee
Auch Doreen Bieri-Ngafor kennt das Problem von zu wenig Hygienematerial, fehlender oder falscher Information und den vielen Schulabsenzen. Deshalb näht die diplomierte Fachfrau Gesundheit in Köniz nun schon seit acht Jahren alleine und mit Freiwilligen Stoffbinden, die sie dann zurück in ihre alte Heimat Kamerun bringt. Dort organisiert Doreen Bieri Workshops, in denen sie Mädchen und jungen Frauen das nötige Wissen über den weiblichen Zyklus, sexuelle Gesundheit und Verhütung vermittelt, bevor sie ihnen die Stoffsäckli mit den Binden abgibt. Viel hat Doreen Bieri-Ngafor in Kamerun und im Rahmen zahlreicher internationalen Organisationen schon erreicht. Und von ihrer Erfahrung dürfen wir nun profitieren.
Denn der Beitrag über Doreen Bieri-Ngafors Stoffbinden in verschiedenen Berner Medien anfangs Jahr brachte dem Prisma Nähtreff die Idee, was man zu Zeiten von Corona gut auch alleine nähen kann und das trotzdem ein grosses Ganzes mit Gewinn über die Gemeinde Wohlen hinaus ergibt:

Projekt 2022
Für ein Jahr wollen wir so viele Binden aus Stoffresten, Molton und einer wasserdichten Polyurethanschicht nähen, wie die Nähmaschinen unserer Gemeinde hergeben! Dank den Verbindungen, die zahlreiche Frauen unserer Gemeinde in ihren alten Heimatländern haben, wissen wir, wo und wie viele solche wiederverwendbaren Binden gebraucht werden können. Dort werden sie durch unsere Kontaktpersonen zusammen mit den nötigen Informationen abgegeben. Schon jetzt haben wir mehrere ‘Bestellungen’ erhalten: unsere Taschen mit je sechs Stoffbinden werden zu Sahenas Dorf in Afghanistan gehen, in ein Frauenhaus in Batticaloa, Sri Lanka; nach Kinshasa, wo Danielle mit Kolleginnen vor Ort ein Strassenkinder-Projekt gestartet hat, und in den Kamerun zu Doreen Bieris-Ngafor Workshops; und schliesslich – je nachdem, wie nähfreudig die Gemeinde Wohlen ist – so viele wie möglich in ein Flüchtlingscamp.

Helfen Sie mit!
Natürlich haben alle Länder genügend Ressourcen, solche Binden selber herzustellen – und das ist auch das Ziel. Aber manchmal hilft ein Anstoss von aussen, Unbedachtes bewusst zu machen, Tabus aufzubrechen und die Diskussion, im Privaten wie Politischen, (weiter) zu führen.
Und dies wäre auch für uns hier nicht schlecht: wenn man sich vorstellt, wieviel Abfall wir mit Einwegbinden produzieren – schon heute sind’s weltweit 12'000'000’000 Stück pro Jahr! Und sowohl Herstellung wie Entsorgung sind alles andere als klimafreundlich. Da sind waschbare Stoffbinden nicht nur die viel billigere, sondern auch die umweltfreundlichere Variante.
Drucken Sie unsere Vorlage sowie die Anleitung aus, verwenden Sie eigene Stoffresten und/oder holen Sie bei uns einfach die benötigte Menge Stoff inkl. des wasserundurchlässigen Polyurethanstoffs und nähen Sie mit!
Gerne nehmen wir aber auch Geldspenden entgegen für das, was nicht genäht werden kann und kostet: das benötigte Spezialmaterial und den Transport in jenen Fällen, wo die Pakete nicht durch die Kontaktpersonen selbst mitgenommen werden können.
Wir würden uns über ein grosses Wohlener Teamwork mit interkontinentalem Benefit freuen!

Laurence Gygi und Anna Rapp


*Namen geändert






 
 

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Montag, Dienstag und Donnerstag 8.45-11.45 Uhr

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